Polarisiert und desinformiert? Politische Information im digitalen Zeitalter

Colloquium Fundamentale im Wintersemester 2023/24

Mit der Digitalisierung von Mediensystemen, dem Aufkommen der von Algorithmen gesteuerten Sozialen Medien, Suchmaschinen und anderen Medienplattformen waren Hoffnungen und Befürchtungen verbunden. Zu den Hoffnungen gehörte zum Beispiel die Erwartung, dass die Ausweitung des Informationsangebots die politische Informiertheit und das politische Engagement der Bürgerinnen und Bürger fördern würde. Zu den Befürchtungen gehörte dagegen die Erwartung, dass einige Bürgerinnen und Bürger der Informationsflut durch Flucht in Unterhaltungsangebote ausweichen, andere sich in meinungskonformen „Echokammern“ oder „Filterblasen“ abschotten, radikalisieren und mit emotionaler Ablehnung auf Andersdenkende reagieren würden.

Im Colloquium Fundamentale im Wintersemester 2023/24 thematisieren wir die Verbreitung, Nutzung und Wirkung politischer Information im digitalen Zeitalter. Wir fragen, inwieweit sich die Hoffnungen und Befürchtungen erfüllt haben und was wir tun können, um die hoffnungsvollen Erwartungen zu fördern und die befürchteten Erwartungen einzudämmen. Unsere Referentinnen und Referenten beantworten auf der Grundlage empirischer Forschungsprogramme folgende Fragen: Wie beeinflussen Algorithmen und das menschliche Selektionsverhalten die Inhalte und Verbreitung von Informationen in digitalen Mediensystemen? Wie gut sind Bürgerinnen und Bürger angesichts der digitalen Informationsflüsse informiert, wie sehr beteiligen sie sich am politischen Diskurs und wie sehr kommen sie mit Andersdenkenden in Kontakt? Gegen Ende des Semesters fragen wir, welche regulatorischen Möglichkeiten es gibt, befürchtete Wirkungen einzudämmen und erhoffte Wirkungen zu fördern.

Das Colloquium Fundamentale wird durch den KIT Freundeskreis und Fördergesellschaft e.V. gefördert.

Hinweis für Studierende: Das Colloquium Fundamentale ist eine Veranstaltung, die sich an alle Interessierten adressiert. Studierende, die Leistungspunkte erwerben möchten, können ihren Besuch der Veranstaltung mit einem Begleitseminar kombinieren. Nähere Informationen zum Begleitseminar und zum Erwerb der Leistungspunkte

Veranstaltungsübersicht

Wissen, was man nicht weiß oder: Was Klimawandel mit Psychologie zu tun hat

Donnerstag, 26. Oktober 2023, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5

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Dr. Helen Fischer
Gastprofessorin am ZAK, Leibniz-Institut für Wissensmedien

 

Das am weitesten verbreitete Missverständnis über die öffentlich Meinung zum Klimawandel geht ungefähr so: Wir müssen Bürgerinnen und Bürger besser informieren, dann erkennen sie die Risiken des Klimawandels und handeln endlich klimafreundlich! Der Vortrag befasst sich mit der Frage, welche psychologischen Mechanismen unterschiedliche Meinungen zum politisierten Thema des Klimawandels tatsächlich erklären. Welche Rolle spielt dabei die heutige „Informationsflut“? Und wie lässt sich das Verhalten im Bereich politisierter Wissenschaft – zum Beispiel auch COVID-19 – erklären? Nicht so sehr durch Wissen, als vielmehr durch Verständnis für das eigene Nicht-Wissen.

 

Kurzbiographie ⊻  

Helen Fischer ist Gastprofessorin für Wissenschaft und Gesellschaft am ZAK. Die Kognitionspsychologin erforscht die Rolle der Metakognition, unserer Einsicht in die Grenzen des eigenen Wissens für Überzeugungen zu politisierter Wissenschaft wie Klimawandel oder COVID-19. Außerdem erforscht sie in verschiedenen Projekten die Bedeutung der Metakognition beim Erkennen eigener Denkfehler wie der motivierten Informationsverarbeitung und zur Informationsweitergabe in sozialen Netzwerken.

 

Helen Fischer promovierte 2016 in Kognitionspsychologie an der Universität Heidelberg. Nach Postdoc-Stellen an der Universität Heidelberg zur öffentlichen Wahrnehmung des Klimawandels, erhielt sie 2019 ein Postdoc Fellowship der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Helen Fischer arbeitete 2019-2020 am Stockholm Resilience Centre, Stockholm, Schweden, und war 2020-2022 Gastwissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin. Seit 2022 forscht sie am Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen, und absolvierte einen Forschungsaufenthalt an der Universität Waikato, Neuseeland, wo sie in einem von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekt den längsschnittlichen Zusammenhang von Social-Media-Nutzung und Überzeugungen zum Klimawandel erforscht.

Weitere Informationen zu Helen Fischers Gastproessur am ZAK.

 

Filterblasen oder Fringeblasen? Wie Algorithmen und wir selbst die Informationssuche online bestimmen

Donnerstag, 16. November 2023, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5

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Prof. Dr. Judith Möller
Professorin für Empirische Kommunikationsforschung am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI)

 

Die politische Polarisierung nimmt zu und der gesellschaftliche Zusammenhalt schwindet – Entwicklungen, die mit der Entstehung von Filterblasen in sozialen Medien in Verbindung gebracht werden. Oft hört man, dass diese Plattformen einseitige Online-Echokammern verursachen, in denen sich extreme Positionen gegenseitig verstärken. Doch aktuelle Forschungsergebnisse zeigen wenig Belege für Filterblasen in der Gesamtbevölkerung. Kann algortihmenbasierte Auswahl manchmal sogar für mehr Vielfalt sorgen und wie hängt das mit dem politischen Interesse der Nutzerinnen und Nutzer zusammen? Ist die Vorstellung von allgegenwärtigen Filterblasen irreführend oder handelt es sich dabei nicht eher um ein Nischenpublikum, den sog. Fringeblasen? Diese und weitere Fragen werden in diesem Vortrag behandelt.

 

Kurzbiographie ⊻  

Judith Möller ist eine renommierte Wissenschaftlerin im Bereich der Kommunikationswissenschaften mit einem besonderen Schwerpunkt auf politische Kommunikation und die Einflüsse digitaler Medien auf die politische Meinungsbildung und gesellschaftliche Polarisierung. Seit dem 1. Februar 2023 hat sie die Professur für „Empirische Kommunikationsforschung, insbesondere Mediennutzung und gesellschaftliche Medienwirkungen“ an der Universität Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) inne. Davor war sie als Associate Professor an der Universität Amsterdam tätig.

 

Zuwendung zu politischer Information auf digitalen Plattformen

Donnerstag, 30. November 2023, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5

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Dr. Jakob Ohme
Forschungsgruppenleiter der Gruppe „Dynamiken digitaler Nachrichtenvermittlung“ am Weizenbaum-Institut und Fellow am Digital Communication Methods Lab der University of Amsterdam

 

Digitale Plattformen sind heutzutage allgegenwärtig, sei es auf Facebook, YouTube oder TikTok. Politische Informationen sind in diesem digitalen Kosmos von immer größerer Bedeutung und finden bei einer stetig wachsenden Zielgruppe Gehör – und das nicht nur bei den jungen Nutzerinnen und Nutzern. Doch die schiere Fülle an verfügbaren Nachrichten bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Bevölkerung besser informiert ist.
Was bedeuten diese veränderten Nutzungsmuster auf digitalen Plattformen für unsere Gesellschaft? Welche Risiken gehen damit einher? Der Vortrag taucht in diese Fragen ein und bietet Einblicke, die auf innovativen Eye-Tracking-Verfahren und digitalen Spurendaten basieren, die von Nutzerinnen und Nutzern im Internet hinterlassen werden.

 

Kurzbiographie ⊻  

Jakob Ohme ist Leiter der Forschungsgruppe "Digital News Dynamics" am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft in Berlin. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf die Auswirkungen digitaler und mobiler Kommunikationsprozesse auf das politische Verhalten und die Nachrichtenströme sowie auf generationsbedingte Unterschiede in der Mediennutzung und politischen Sozialisation. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Entwicklung und Anwendung digitaler Methoden in der politischen Kommunikations- und Journalismusforschung.
Vor seiner Tätigkeit in Berlin arbeitete er als Postdoktorand an der Amsterdam School of Communication Research (ASCoR) an der University of Amsterdam und als Assistenzprofessor am Centre for Journalism an der University of Southern Denmark, wo er auch seinen Doktortitel erwarb. Jakob Ohme absolvierte seinen Master-Abschluss am Institut Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Derzeit ist er Fellow am Digital Communication Methods Lab an der Universität Amsterdam.

 

Social Media, Big Data & Künstliche Intelligenz. Wie uns Parteien mit Daten und Technologien manipulieren

Donnerstag, 14. Dezember 2023, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5

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Dr. Simon Kruschinski
Kommunikationswissenschaftler und Postdoktorand am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

 

Wir leben in einer Welt, die immer stärker von Daten, Analysen und Technologien bestimmt wird. Und auch die Politik macht sich diese Entwicklungen zunutze: So sollen Parteien auf unendliche Mengen an Daten zurückgreifen, um Wählerinnen und Wähler mit passgenauen Botschaften über Social Media zu manipulieren. Und das soll fatale Folgen für unsere Demokratien haben. Doch was ist dran an diesen Vorstellungen rund um den Einsatz und die Wirkung vom sogenannten datengestützten Wahlkampf?
I
m Vortrag zeigt Dr. Simon Kruschinski, welche persönlichen Daten die Parteien über uns sammeln und inwiefern sie ausgeklügelte Analysemethoden und neueste Technologien im Wahlkampf einsetzen. Außerdem liefert er Antworten darauf, wie diese datengestützte Wahlkampfkommunikation unser Wahlverhalten beeinflusst. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird ein Fazit gezogen, ob unsere Demokratien durch den datengestützten Wahlkampf in Gefahr sind.

 

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Simon Kruschinski ist promovierter Kommunikationswissenschaftler und Postdoktorand am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit 2015 forscht und lehrt er zum Einsatz und zur Wirkung von strategischer Kommunikation in politischen Kampagnen. In Publikationen, Vorträgen und Medienbeiträgen gibt er Einblicke, wie Kampagnen mit Medien, Technologien und Daten arbeiten, um Menschen zu beeinflussen. Er bietet Workshops, Analysen und Beratungen an, um strategische Kommunikation im digitalen Zeitalter zu verstehen und gewinnbringend einzusetzen.

 

Verbreitung, Ursachen und Folgen von Inzivilität in politischen Online-Diskussionen

Donnerstag, 11. Januar 2024, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5

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Prof. Dr. Marc Ziegele
Juniorprofessor für Politische Online-Kommunikation am Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf


Online-Diskussionen von Bürgerinnen und Bürgern über politische Themen sind eine beliebte Form der Partizipation. Studien zeigen jedoch, dass die Diskussionen nur selten deliberative Normen wie Rationalität und Zivilität erfüllen. Stattdessen enthalten sie oft respektlose, normverletzende Äußerungen, die von Beleidigungen und Pöbeleien bis hin zu offener Aggressivität und Hassrede reichen. Doch wie verbreitet ist derartige Inzivilität in politischen Online-Diskussionen? Warum schreiben Menschen respektlose und herabwürdigende Beiträge? Und was machen diese Beiträge mit den Menschen, die sie lesen? Der Vortrag versucht, Antworten zu geben, indem ein empirisch fundierter Überblick über das Ausmaß von Inzivilität in politischen Online-Diskussionen gegeben wird, aber auch ihre Ursachen und Folgen für Individuum und Gesellschaft analysiert werden.

 

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Marc Ziegele ist Juniorprofessor für politische Online-Kommunikation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er hat über „Nutzerkommentare als Anschlusskommunikation“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz promoviert und untersuchte im Rahmen einer Nachwuchsforschungsgruppe Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität und Wirkung von Online-Diskussionen durch Moderation. Auch seine aktuelle Forschung widmet sich weiterhin den politischen Diskussionen von Bürgerinnen und Bürgern im Internet – vor allem vor dem Hintergrund der Frage, wie sich Kommunikationsnormen in digitalen Öffentlichkeiten manifestieren und verändern. Darüber hinaus ist er assoziiertes Mitglied der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen, die den Wandel des Vertrauens der Zivilgesellschaft in etablierte Medien mittels repräsentativer Befragungsstudien erforscht.     

 

Meinungsbildung im Zeitalter von Medienintermediären

Hinweis: Aufgrund des angekündigten GDL-Streiks vom 24. bis 29.1.2024 konnte unsere Referentin nicht verlässlich anreisen, deswegen musste der Vortrag am 25. Januar ausfallen. Der Vortrag wurde auf Donnerstag, 8. Februar 2024, 18 Uhr verschoben.

8. Februar 2024, 18 Uhr, NTI-Hörsaal, Geb. 30.10, KIT Campus Süd, Engesserstraße 5, EG

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Prof. Dr. Birgit Stark
Professorin für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

 

Durch den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit ist die Nachrichtennutzung einem massiven Wandel ausgesetzt. Neben den traditionellen journalistischen Massenmedien informieren sich die Nutzer online zunehmend bei neuen Akteuren, wie Influencern oder Laien-Experten. Zudem kommt Medienintermediären wie Facebook, Instagram oder YouTube eine zentrale und wachsende Bedeutung für die Vermittlung meinungsbildender, aber nicht zwingend journalistischer Inhalte zu. Aber wie gehen die Nutzer mit dieser Informationsvielfalt um? Wie bewerten sie die unterschiedlichen Vermittlungsleistungen? Welche Kriterien definieren meinungsbildungsrelevante Akteure und Quellen? Der Vortrag befasst sich mit den veränderten Mechanismen von individuellen Meinungsbildungsprozessen und skizziert auch Chancen und Risiken für die Gesellschaft.

 

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Birgit Stark ist Professorin für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Als Leiterin des Arbeitsbereichs Medienkonvergenz und langjährige Sprecherin des Forschungsschwerpunkts Medienkonvergenz ist sie mit Fragen des Medienwandels und der Digitalisierung vertraut. In ihren aktuellen Forschungsarbeiten untersucht sie ländervergleichend Medienqualität und den Wandel der Informationsnutzung in der digitalen Gesellschaft. Darüber hinaus analysiert sie die Auswirkungen algorithmischer Kuratierung auf Meinungsbildungsprozesse und gesellschaftliche Integration.