World Science Café - Archiv
Seit 2016 richtet das ZAK in Kooperation mit dem International Scholars and Welcome Office (IScO) des KIT die Veranstaltungsreihe World Science Café aus, in der Geflüchtete über ihre wissenschaftliche Arbeit berichten. Die Vortragenden sind Forschende, die in Deutschland Schutz suchen, weil Krieg oder Verfolgung sie in ihren Herkunftsländern bedrohen oder ihre Forschungsfreiheit eingeschränkt ist. Das Wissen, die Expertise und die neuen Sichtweisen, die sie in die akademische Welt und in die deutsche Gesellschaft einbringen, sollen in diesem neuen Format sichtbar und einem interessierten Publikum bekannt gemacht werden. Im Anschluss an eine Kurzdarstellung findet, ganz im Sinne des titelgebenden Cafés, ein Gespräch statt, in dem gemeinsam mit einem landeskundigen Gesprächspartner die akademische Lage im Herkunftsland des Referierenden erörtert wird. Wie sieht bzw. sah der Forschungsalltag in Syrien, Usbekistan oder in der Türkei aus? Was bedeutet ein freies akademisches Klima für Forschung? Und welche Implikationen hat es für eine Gesellschaft, wenn ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mehr im eigenen Land forschen können?
Migration & Human Trafficking in the Global South: Cameroon to the Arab Gulf States
Migration & Human Trafficking in the Global South: Cameroon to the Arab Gulf States
Vortrag von Dr. Jonathan Ngeh, Global South Studies Center, University of Cologne (auf Englisch)
Donnerstag, 13.02.2020, 18 Uhr im Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30), Engelbert-Arnold-Straße 2, KIT Campus Süd
Zu den Bildern der Veranstaltung
Menschenhandel ist ein eng mit Globalisierungs- und Migrationsprozessen verbundenes Phänomen. In seinem Vortrag fokussiert Dr. Jonathan Ngeh im Besonderen auf die Erfahrungen der Ausbeutung und des Missbrauchs von in die Arabischen Golfstaaten migrierten Kamerunerinnen und Kamerunern. Basis seiner Analyse sind in ethnographischen Feldforschungen in Dubai (im Jahr 2015) und Kamerun (im Jahr 2016) erhobene Daten. Dr. Jonathan Ngeh nimmt in seiner Analyse eine multiskalare Perspektive auf die Phänomene der Migration und des Menschenhandels ein, um diese so nicht nur bedingt durch, sondern auch eingebettet in gesellschaftsspezifische soziale und machtpolitische Transformationsprozesse untersuchen zu können.
Dr. Jonathan Ngeh erhielt seinen Master of Art and Science in Gesundheit und Gesellschaft (Health and Society) im Jahr 2004 an der Universität Linköping in Schweden. Im Jahr 2011 promovierte er in Soziologie an der Universität Umeå in Schweden. Nach seinen Forschungsstipendien an der Universität zu Köln (Februar bis April 2015), lehrte er an der Universität Bamenda in Kamerun (November 2016 bis Juli 2019). Seit August 2019 ist Dr. Jonathan Ngeh Gastwissenschaftler am Global South Studies Center (GSSC) an der Universität zu Köln. Sein Forschungsinteresse richtet sich auf die Analyse und das Verstehen der Dynamiken sozialer Ungleichheiten in einer globalisierten Welt. Dabei legt er seinen Forschungsfokus auf die Phänomene und Prozesse der Migration und des Menschenhandels. Dr. Jonathan Ngeh forschte zum Thema der Süd-Nord-Migration und fokussierte dabei im Besonderen auf die Integration somalischer und kamerunischer Migrantinnen und Migranten in Schweden. Inspiriert durch seine Teilnahme an dem durch das Global South Studies Center (GSSC) der Universität zu Köln initiierten Workshop „Migration within and to the Global South“ forscht Dr. Jonathan Ngeh seit 2014 insbesondere zu Süd-Süd-Migrationsprozessen sowie zu Migrationserfahrungen afrikanischer Migrantinnen und Migranten in die Arabischen Golfstaaten.
Die Philipp Schwartz-Initiative wurde von der Alexander von Humboldt-Stiftung gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt ins Leben gerufen und ermöglicht Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland die Verleihung von Stipendien für Forschungsaufenthalte an gefährdete Forscherinnen und Forscher. Finanziert wird diese Initiative durch das Auswärtige Amt, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Andrew W. Mellon Foundation, die Fritz Thyssen Stiftung, die Gerda Henkel Stiftung, die Klaus Tschira Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, den Stifterverband sowie die Stiftung Mercator.
Filmvorführung „Science in Exile“ mit Diskussion
Filmvorführung „Science in Exile“ mit Diskussion
Mittwoch 5.12.2018, 18 Uhr
Ort: NTI-Hörsaal, Gebäude 30.10, KIT Campus Süd
Film von Nicole Leghissa und Diskussion mit betroffenen WissenschaftlerInnen
© Nicole Leghissa/TWAS |
„Science in Exile“ „Four researchers, in flight from war. They dream of science in a time of peace” |
Der Film „Science in Exile“ von Nicole Leghissa porträtiert ForscherInnen aus Syrien, Jemen und Irak, die gezwungen waren aus ihrer Heimat zu fliehen und ihre Forschung in einem anderen Land fortzuführen. Im Anschluss diskutierten betroffene WissenschaftlerInnen. Mehr Informationen zum Film gibt es auf der Webseite der World Academy of Sciences.
Die Veranstaltung stellte den Auftakt zum Workshop „Threatened Researchers – Science in Exile. Shared Responsibilities“ dar, der am 6. Dezember 2018 am KIT in Kooperation mit dem International Scholars and Welcome Office (IScO) sowie der Humboldt-Regionalgruppe Karlsruhe-Pforzheim e. V. und der Alexander von Humboldt-Stiftung stattfand.
Neoliberal Regimes and Their Gendered Body-Bio-Politics: The Case of AKP in Turkey
Neoliberal Regimes and Their Gendered Body-Bio-Politics: The Case of AKP in Turkey
Mittwoch, 20.06.2018, 18 Uhr
Ort: Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30), im Ehrenhof, Engelbert-Arnold-Str. 2, KIT-Campus Süd
Prof. Dr. Betül Yarar
Universtität Bremen, Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Interkulturelle Bildung
Die türkische Soziologin Prof. Dr. Betül Yarar geht in ihrem Vortrag der Frage nach, wie in der gegenwärtigen Politik der Türkei weibliche Körper und weibliche Sexualität zur Stärkung neoliberaler und neokonservativer Strömungen instrumentalisiert werden. Sie analysiert das Phänomen entlang der Beobachtung, dass das Regime einerseits Tendenzen der Homogenisierung verstärkt und Kontrolle über den weiblichen Körper sicherzustellen versucht, gleichzeitig aber große Anteile des Erfolgs dieser Politik gerade auf die außerordentliche Anziehungskraft auf weibliche Wähler zurückzuführen sind.
Prof. Dr. Betül Yarar arbeitete bis Anfang September 2016 als Professorin an der Fakultät für Kommunikation der Gazi Universität Ankara, Türkei. Während sie als Gastwissenschaftlerin an einer Summer School im Studiengang Science Politique Lille (Frankreich) lehrte, wurde sie auf der Grundlage eines besonderen Dekrets der AKP-Regierung entlassen. Aus diesem Grund kam sie nach ihrem Studium in Frankreich als Philipp Schwartz Stipendiatin der Alexander von Humboldt Stiftung an die Universität Bremen, wo sie seit Februar 2017 ihr akademisches Leben fortführt. Ihren MA in Soziologie erhielt Betül Yarar an der Essex University, UK, 1994 und ihren Ph.D. in Soziologie an der Lancaster University, UK im Jahr 2000. Nach ihrer Promotion arbeitet sie weiterhin zu Populärkultur und deren Beziehung zur Politik (insbesondere zur neoliberalen Politik in der Türkei). Später erweiterte sie ihre Interessengebiete und begann auch zu neuen sozialen Bewegungen, feministischen Bewegungen, feministischer Theorie und Körperpolitik zu forschen, speziell im geschichtlichen Kontext der Modernisierung und des Neoliberalismus in der Türkei. Seit kurzem arbeitet sie zum Thema der "neoliberal-neokonservativen Biopolitik der AKP und Gegenstrategien feministischer Gruppen in der Frauenbewegung in der Türkei". In diesem Zusammenhang hat sie am 5. – 6. April 2018 in Bremen ein internationales Symposium mit dem Titel "Gesundheit, Reproduktion und Sexualität: Neoliberal-autoritäre Regierungsformen über den weiblichen Körper in der Türkei" ausgerichtet. |
Refugees and Migrants – Social and Economic Integration
Refugees and Migrants – Social and Economic Integration
Mittwoch, 07.02.2018, 18 Uhr
Ort: Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30)
Afaf Rahim
Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW)
"Die Arbeitsmarkteingliederung ist das übergeordnete Ziel der Integration von Einwanderern, insbesondere im Fall von Flüchtlingen und Familienmigranten. Die gesellschaftliche Integration verfolgt ein gleichrangiges Interesse, besonders angesichts der Tatsache, dass Sorgen und Anliegen der einheimischen Bevölkerung oftmals mit nicht-wirtschaftlichen Faktoren in Verbindung gebracht werden. Der kausale Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Integration konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. Zwei widerstreitende Theorien zur Verbindung zwischen Arbeitsmarktfolgen für Einwanderer und gesellschaftlicher Integration stehen sich gegenüber. Die erste geht davon aus, dass eine bessere Integration in die Gesellschaft mit höheren Erfolgschancen auf dem Arbeitsmarkt assoziiert wird, während die zweite Theorie argumentiert, dass durch wirtschaftliche Chancenungleichheit und strukturelle Einschränkungen – die Einwanderer vom Arbeitsmarkt abschrecken – auch deren Ansporn und Motivation, sich an Normen und Kultur der Aufnahmegesellschaft anzupassen, vermindert werden. In diesem Vortrag werde ich einen Blick auf das Zusammenspiel wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Integration von Drittstaatsangehörigen (Flüchtlinge und Migranten) werfen. Mein besonderes Augenmerk lege ich dabei auf Barrieren bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen sowie auf zwei wichtige politische Fragestellungen: 1) Könnte eine Politik ausgerichtet darauf, die Beschäftigung von Flüchtlingen und Migranten zu fördern, auch einen positiven Effekt auf die gesellschaftliche Integration haben? 2) Kommen zusätzliche Kosten auf Einwanderer in Arbeitslosigkeit zu (z. B. aufgrund gesellschaftlicher Desintegration)?"
- Afaf Rahim
Afaf Rahim ist Wissenschaftlerin am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Sie ist Teil eines Forschungsteams, das an MEDAM (Mercator Dialogue on Asylum and Migration) mitwirkt, einem Projekt mit dem Ziel, Herausforderungen und Handlungsstrategien zur europäischen Asyl- und Migrationspolitik aus primär wissenschaftlicher Sicht zu identifizieren und zu erarbeiten. Im Rahmen von MEDAM liegt Afaf Rahims Forschungsschwerpunkt auf der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Integration von Einwanderern. Afaf Rahim hat an der Universität Wageningen in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften promoviert. Zuvor war sie als Juniorprofessorin am Centrum für Nah- und Mittelost-Studien der Universität Marburg und als Postdoc an der Universität Pretoria beschäftigt. Des Weiteren ist Afaf Rahim Referentin am African Economic Research Consortium (AERC). Ihre Forschungsinteressen in diesem Rahmen sind fächerübergreifend und reichen von Landwirtschaft und natürlicher Ressourcenbewirtschaftung über Armutsforschung bis hin zu sozialer Folgenabschätzung. |
The Syrian Crisis – A Philosophical and Legal Overview
The Syrian Crisis – A Philosophical and Legal Overview
Dienstag, 12.12.2017, 18 Uhr
Ort: Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30)
Dr. Anan Alsheikh Haidar
Institute for International Peace and Security Law, University of Cologne
Dr. Housamedden Darwish
Department of Oriental Studies, University of Cologne
"Im März 2011 wurde in Syrien ein friedlicher Aufstand gegen die Regierung durch syrische Sicherheitsmänner und Truppen unter Präsident Bashar al-Assad schnell und gewaltsam niedergeschlagen. Die brutale Unterdrückung der friedlichen Demonstranten führte zum weiteren Ausufern von Gewalt und resultierte in einem landesweiten Konflikt, der eine der schlimmsten humanitären Krisen des 21. Jahrhunderts hervorbrachte. Eine halbe Million Menschen wurde getötet; 11 Millionen – also fast die Hälfte der syrischen Bevölkerung – flohen aus ihrer Heimat und mehr als 13 Millionen benötigen aktuell dringend Hilfe. Die Gewalt in Syrien dauert an: Sie ist geprägt von unzähligen Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mit verschiedenen Begriffen versucht man, dem Ausmaß der Syrienkrise einen Namen zu geben, darunter zum Beispiel solche wie Bürger- oder Stellvertreterkrieg und Revolution. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welcher Name bzw. welche Namen dem Geschehen in Syrien am besten Ausdruck verleihen. Die Syrienkrise – ungeachtet ihrer Bezeichnung – wirft noch eine weitere wichtige Frage auf: Welche Möglichkeiten gibt es, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Verbrechen in Syrien begangen haben?
Um diese Fragen zu beantworten, wird sich dieser Vortrag zuerst mit der Diskussion um die Bezeichnung der syrischen Revolution befassen und versuchen, diese Krise in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Anschließend wird es um die Möglichkeiten gehen, die internationale Strafgerichtsbarkeit im Falle Syriens anzuwenden."
Dr. Anan Alsheikh Haidar & Dr. Housamedden Darwish
Dr. Anan Alsheikh Haidar, geboren 1977, studierte an der Law School der Universität Damaskus in Syrien und erhielt ihr Diplom in Jura im Jahr 2000. 2005 schloss sie im selben Fachgebiet als Chevening-Stipendiatin ihren Master of Laws (LL.M.) an der Law School der britischen Universität Reading ab. Dem folgte 2010 die Promotion in Jura mit den Hauptfächern Internationales Strafrecht und Internationale Menschenrechte, Forschungsmethodik und Internationale Sicherheitsstudien. Von 2010 bis 2014 war Dr. Haidar Dozentin an der Law School der Universität Damaskus und an der Syrian Virtual University. Sie hat Publikationen zum Thema Internationales Recht veröffentlicht und an Vorträgen in aller Welt teilgenommen, die sich zuletzt mit dem Syrienkonflikt und dem Internationalen Strafrecht befassten. Seit 2016 ist sie Forschungsstipendiatin am Institute of International Peace and Security Law der Universität Köln. |
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Dr. Housamedden Darwish, geboren 1971, studierte Philosophie an der Tischrin-Universität im syrischen Latakia sowie an den Universitäten von Damaskus und Aleppo. Er erhielt seinen Masterabschluss in Philosophie an der Universität Bordeaux und promovierte dort 2010 mit einer Doktorarbeit über den französischen Philosophen Paul Ricœur. Darüber hinaus beschäftigte sich Dr. Darwish als freiberuflicher Wissenschaftler, Gastdozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Themen Östliche Philosophie und Arabischer Aufstand sowie mit transkulturellen Konzepten, dem Islam und der politischen Moderne. Dr. Darwish nahm an Vorträgen und Podiumsdiskussionen weltweit teil und legte seinen Fokus dabei auf den syrischen Philosophen, Professor und Menschenrechtsaktivisten Sadiq Jalal al-Azm. Zudem hat er zahlreiche Publikationen zur Lage in Syrien und dessen entwurzelter Nation sowie zum arabischen Seelenzustand in diversen Magazinen veröffentlicht. Des Weiteren publizierte er einige Bücher über den französischen Philosophen Paul Ricœur sowie seine ‘Kritischen Texte zum arabischen politischen Denken, der syrischen Revolution und dem Asyl’. Aktuell gehört Dr. Darwish als Permanent Fellow dauerhaft dem Volkswagenstiftung-Projekt ‘Eine Untersuchung der Erklärungskraft - A Study in Explanatory Power’ an. Zudem ist er Assistenzprofessor am Orientalischen Seminar der Universität Köln und am Institut für Philosophie der Universität Duisburg-Essen. |
Eingebettet in den Workshop „Threatened Researchers – The Power of Science“ des International Scholars & Welcome Office in Kooperation mit dem ZAK und der Humboldt-Regionalgruppe Karlsruhe Pforzheim am KIT, bei dem es auch darum geht, geflüchtete und nichtgeflüchtete Forschende miteinander ins Gespräch zu bringen, um Perspektiven zu entwickeln, die ergänzend zu institutioneller Unterstützung und Förderprogrammen wie der Philipp Schwartz-Initiative, aber auch nach Auslauf der ersten Förderungen und beim Übergang in die wissenschaftliche Community greifen könnten. Der englischsprachige Workshop findet statt am Dienstag, 12. Dezember 2017, um 14:00 Uhr, im Senatssaal des KIT (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30), im Ehrenhof, Engelbert-Arnold-Str. 2, KIT-Campus Süd.
Der Vormarsch des Autoritarismus in der Türkei
Der Vormarsch des Autoritarismus in der Türkei
Wandel der Rechtsstaatlichkeit und Unterdrückung der Meinungsfreiheit
Mittwoch, 19.07.2017, 18 Uhr
Ort: Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30)
Dr. Zafer Yilmaz
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Potsdam
Seit dem gescheiterten Staatsstreich im Juli 2016 steckt die türkische Demokratie in einer der entschiedensten Krisen. Mit Verhängung des Ausnahmezustands begann die Regierung ein gewaltiges Restaurierungsprogramm mit starken Auswirkungen für Verfassung, öffentliche Verwaltung und Zivilgesellschaft. Der Vortrag wird auf die Veränderungen in der türkischen Demokratie im Hinblick auf die neuesten Verfassungszusätze, den anhaltenden Ausnahmezustand und die gegenwärtige politische Entwicklung eingehen. Wie haben sich die neuesten politischen Entwicklungen auf die institutionelle Struktur des Staates, auf den öffentlichen Raum und auf die demokratische Politik ausgewirkt? Welche Rolle haben sie möglicherweise im Regimewechsel in der Türkei gespielt? In diesem Zusammenhang vertritt der Vortrag die These, dass eben diese Entwicklungen in der Türkei den Weg geebnet haben für den Übergang vom autoritären Populismus zum „plebiszitären autoritären Regime“. Ausgehend von den wesentlichen Charakteristika der türkischen Politik und seiner wichtigsten Tendenzen, die heute den Aufschwung von Autoritarismus befeuern, wird diskutiert, inwiefern der anhaltende Ausnahmezustand dem gegenwärtigen Regimewechsel die nötige Autorität verleiht. Die aktuellen Maßnahmen zur Einschränkung der Pressefreiheit spielen eine zentrale Rolle in diesem Wechsel. Hierfür werden die charakteristischen Merkmale des aufkeimenden plebiszitären Regimes in der Türkei kurz skizziert, um dadurch ein besseres Verständnis von der spezifischen Form und den wesentlichen Aspekten dieses Regimes zu ermöglichen. Abschließend wird der Vortrag versuchen zu klären ob die gegenwärtige Politik die Deinstitutionalisierung des Staates noch weiter vorantreiben wird und möglicherweise eine zunehmende Aushöhlung der Staatsgewalt, die Depolitisierung der Gesellschaft, die Unterdrückung der Opposition und eine Steigerung der autoritären Tendenzen in der türkischen Politik zur Folge haben wird.
Dr. Zafer Yılmaz studierte von 1999 bis 2004 an der Fakultät für Soziologie und Politikwissenschaften an der Middle East Technical University in Ankara. Er setzte seine Forschung unter anderem an der Soziologiefakultät der Freien Universität Berlin fort, an der Fakultät für Politik und Geschichte der Brunel University London und an der Ankara University, an der er 2011 mit einer Doktorarbeit über “Poverty and Uncertainty: Management of Poverty and Constitution of Social Question” promovierte. Von 2013 bis 2014 war Yilmaz als Gastwissenschaftler an der Soziologiefakultät der University of California, Berkeley, tätig. Seit 2017 ist er Gastwissenschaftler an der Fakultät für Wirtschaft- und Sozialwissenschaften am Centre for Citizenship, Social Pluralism and Religious Diversity der Universität Potsdam. Dr. Yilmaz ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und hat an verschiedenen internationalen Konferenzen und Workshops teilgenommen. Sein Forschungsgebiet erstreckt sich über Arbeit und die Rolle des Staates, Tradition und politische Protestkulturen, sowie zuletzt auf den Vormarsch des Autoritarismus, den Wandel in der Rechtsstaatlichkeit und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in der Türkei. |
On Refugee Lives, or A Note on Human Condition
On Refugee Lives, or A Note on Human Condition
Mittwoch, 15.02.2017, 18 Uhr
Ort: Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30)
Prof. Dr. Hande Birkalan-Gedik (Türkei)
Frauen- und Geschlechterforschung, Institut für Soziologie, Goethe-Universität Frankfurt
“Unser Jahrhundert, ist ein Jahrhundert der Entwurzelung, in dem immer weniger Menschen ihr Leben dort verbringen, wo sie geboren werden“, beschrieb Michael D. Jackson (Harvard Divinity School) einst scharfsinnig den Menschheitszustand unseres Jahrhunderts. Zunehmend verlassen Menschen ihr Heimatland und leben an Orten, an denen sie nicht geboren wurden. In den vergangenen Jahren findet eine Art von Bewegung statt – in Form von Massensiedlung und -vertreibung: Menschen aus Osten und Süden wollen nach Europa – hin zur „Festung Europa“. Sie unterscheiden sich von den Migranten, die vor über 50 Jahren nach Europa kamen, den Gastarbeitern, die ebenfalls versuchten sich an einem neuen Ort niederzulassen. Heute sind die Menschen, die versuchen nach Europa zu kommen Geflüchtete, mit der Hoffnung, dass sie dort mehr Sicherheit erwarte als inmitten der politischen Situation aus der sie kommen und über die sie keine Kontrolle haben. Ihre Reise findet hauptsächlich im Meer statt – in „unserem Meer“, Mare Nostrum, den meisten bekannt als das Mittelmeer – riesige, hungrige Wassermassen. Wer Glück hat, ist einer von zweien, der das europäischen Festland erreicht.
Der Vortrag vertieft sich in die Lebensrealitäten von Geflüchteten, beginnend mit dem Entschluss einen Ort zu verlassen, über die Ambivalenz von Leben und Tod im Meer, in „unserem Meer“ zu den Hoffnungen, die sie in den neuen Ort setzen. Wie fühlt es sich an ein Geflüchteter zu sein? Fühlt man sich zuhause in der Welt? Wie empfinden sie den neuen, fremden Ort? Welche Ängste, Bedürfnisse und Wünsche haben die Menschen, die nach Europa kommen?
An diese Fragen anschließend, beabsichtigt dieser Vortrag eine Bestandsaufnahme der Flüchtlingskrise, der Europäischen Flüchtlingskrise. Aber er kann ebenso gut verstanden werden als Überprüfung der conditio humana.
Prof. Dr. Hande Birkalan-Gediks Forschungsschwerpunkte sind Anthropologie, Folkloristik und Gender Studies. Im Anschluss an ihr Studium an der Boğaziçi-Universität Istanbul absolvierte sie ein M.A./Ph.D.-Programm an der Indiana University Bloomington in den USA. Sie unterrichtet zu Themen wie Migration, Gender, Nationalismus, Raum und Narrative, Feminismustheorie und -methoden, Forschungsmethoden, anthropologische Theorie und die Geschichte der Folklore – unter anderem in den USA, Europa, Zentralasien, dem Kaukasus und dem Nahen Osten. Zurzeit ist Birkalan-Gedik Gastprofessorin an der Goethe-Universität Frankfurt. Sie ist Mitherausgeberin der Sammlung Gelenekten Geleceğe Antropoloji (Anthropologie von der Vergangenheit bis in die Zukunft, 2005). Sie ist außerdem Herausgeberin der Publikation Sınırlar, İmajlar, Kültürler (Grenzen, Bilder, Kulturen, 2013), die einen Artikel von Birkalan-Gedik über die Türkei enthält, und Gastherausgeberin einer Sonderausgabe zum Thema Folklosristik der Zeitschrift Folklor/Edebiyat (Folklore/Literatur, 2000). Von 2014 bis 2015 arbeitete sie an einem Projekt über Väter mit türkischem Migrationshintergrund im Rhein-Main-Gebiet. Zwei weitere Bücher sollen 2017 erscheinen, Feminist Antropoloji: Türkiye’den ve Dünyadan Kültürlerarası Perspektifler (Feministische Anthropologie: Interkulturelle Perspektiven aus der Turkei und der Welt) und Changing Paradigms of Anthropology in Turkey: Intersecting European Ethnology and American Anthropology (Paradigmenwechsel der Anthropologie in der Türkei: Treffpunkt europäischer Ethnologie und amerikanischer Anthropologie). |
Das syrische Kulturerbe in Krisenzeiten
Das syrische Kulturerbe in Krisenzeiten
Mittwoch, 01.02.2017, 18 Uhr
Ort: Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30)
Prof. Dr. Ammar Abdulrahman (Syrien)
Archäologie, Institut für die Kulturen des Alten Orients (IANES), Eberhard Karls Universität Tübingen
Unser Weltkulturerbe hat im Lauf der Geschichte unter Naturphänomenen wie Erdbeben und Vulkanausbrüchen gelitten – und es hat ebenfalls unter menschlichen Einflüssen und Aktivitäten gelitten, wie Kriegen. Syrien ist ein aktuelles Beispiel um dieses Phänomen anhand eines Ortes zu beleuchten, der als eine der ältesten Zivilisationen der Welt gilt und dessen Vielfalt nun akut wegen der andauernden Krise in Gefahr ist. Als unmittelbare Auswirkung des nun bereits vier Jahre anhaltenden Krieges, sind einige Ausgrabungsstätten komplett von radikalislamischen Gruppen zerstört worden. Viele sind zu Kriegsschauplätzen geworden – als Randerscheinung werden die archäologischen Fundstätten gewaltvoll geplündert und Zeugen illegaler Ausgrabungen bewaffneter Plünderer. Diese Bedrohung des syrischen Kulturerbes hält nun schon das fünfte Jahr an – und es ist kein Ende in Sicht.
Prof. Dr. Ammar Abdulrahman hat u.a. in Damaskus und Konstanz Alte und Altorientalische Geschichte studiert und 2006 an der Universität Damaskus promoviert. Seit 2005 war Abdulrahman Direktor des Departments für Museumsangelegenheiten in der Generaldirektion des syrischen Antikendienstes, anschließend, seit 2008, Direktor des al-Basil Zentrums für archäologische Forschung in Damaskus. Seit 2010 ist Abdulrahman Projektleiter und Herausgeber der mehrbändigen „Archeological Encyclopedia“ in Syrien. Er hält diverse Lehraufträge u.a. an der Universität Damaskus in der Archäologie-Abteilung, dessen Direktor er seit 2013 ist. 2014-2015 folgte eine Vertretungsprofessur für Archäologie an der Universität Konstanz. Seit 2014 ist er Mitglied der Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA) der Berlin-Brandenburg Akademie der Wissenschaften. Abdulrahman hat zahlreiche Monographien und Aufsätze für Fachzeitschriften und Enzyklopädien verfasst, er war Leiter bedeutender feldarchäologischer Tätigkeiten und nimmt als Experte hierzu an internationalen Kongressen teil. Seit 2016 ist er an der Eberhard Karls Universität Tübingen am Institut für die Kulturen des Alten Orients (IANES) und arbeitet derzeit an einem Forschungsprojekt zur bronzezeitlichen Siedlungsentwicklung in Syrien und dem nördlichen Irak, in dem antike Siedlungsplätze in beiden Ländern mit modernen Geoinformationssystemen kartiert werden sollen. Das Projekt soll damit auch zum Erhalt des Kulturerbes in Syrien und dem Irak beitragen. |
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Deutschen UNESCO-Kommission statt.
Anschließendes Gespräch mit Prof. Dr. Hartwig Lüdtke.
Prof. Dr. Hartwig Lüdtke ist seit Oktober 2014 Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission, seit 2006 ist er Mitglied im Deutschen Nominierungskomitee für das UNESCO-Programm "Memory of the World". Prof. Lüdtke ist Stiftungsvorstand und Direktor des Technoseums in Mannheim.
Eröffnungsvortrag: Beteiligung ausländischer Gruppen im Konflikt um Syrien: Status Quo und Zukunftsperspektiven
Eröffnungsvortrag: Beteiligung ausländischer Gruppen im Konflikt um Syrien: Status Quo und Zukunftsperspektiven
Mittwoch, 30.11.2016, 18 Uhr
Ort: Foyer des Präsidiumsgebäudes (Adolf-Würth-Gebäude, Geb. 11.30)
Prof. Dr. Hussein Almohamad (Syrien)
Gastprofessor für Anthropogeographie, Institut für Geographie, Justus-Liebig-Universität Gießen
An den Protesten gegen die Regierung beteiligten sich in der Anfangsphase, 2011, Gruppierungen aus unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung. Mit zunehmender Dauer der Revolution eskalierten diese zu einem bewaffneten Konflikt – dazu kommen inzwischen eine ganze Reihe weiterer religiöser und ethnischer Konflikte. Durch Geld- und Waffenströme aus dem Ausland und an dem Konflikt beteiligte Söldnergruppen nimmt die Auseinandersetzung immer mehr den Charakter eines Stellvertreterkrieges in Syrien und im gesamten Nahen Osten an. Nach fünf Jahren Krieg kristallisieren sich vier große Konfliktpartien heraus: das Assad-Regime, der Islamische Staat (IS), die autonome kurdische Region "Rojava" und die Rebellen. Inzwischen sind mehr als 80.000 ausländische Kämpfer an dem Konflikt beteiligt. Der Vortrag analysiert das Phänomen der freiwilligen ausländischen Kämpfer, ihre Motivation sich an den Kämpfen in Syrien beteiligen und die Perspektiven dieses Vorgangs.
Prof. Dr. Hussein Almohamad hat an der Universität Damaskus Geographie studiert und hatte anschließend eine Assistentenstelle am Geographischen Institut der Universität Aleppo inne. 2009 promovierte er an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit einer Doktorarbeit im Bereich Klimawandel und Bedrohung durch Naturgefahren. Von 2009 bis 2013 lehrte Almohamad Klimatologie und politische Geographie in einer Assistenzprofessur an der Universität Aleppo. Seit 2014 ist Almohamad Gastprofessor an der Justus-Liebig-Universität Gießen im Bereich Anthrophogeographie und Geographische Entwicklungsforschung. |