Karlsruher Gespräche 2012
„Alles in (Un-)Ordnung? Neue Unübersichtlichkeiten in einer globalisierten Welt“
Ophélie Latil
Referentin
Ophélie Latil ist Internetaktivistin und Gründerin der französischen Gruppierung „Génération Précaire“ (französische Bezeichnung für Generation Praktikum). Sie studierte ab 2001 Politikwissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Unternehmensverwaltung. 2006 erhielt sie einen Master in Literatur und Kunst, im Folgejahr den Master in Management. Während ihres Studiums sammelte sie in diversen Praktika Erfahrungen in Wirtschaft und Kultur, unter anderem war sie Praktikantin des Institut Français in Sankt Petersburg. International bekannt wurde sie mit den Aktionen der „Génération Précaire“, bei der Ophélie Latil hauptverantwortlich ist für Events und Veranstaltungen. Außerdem ist sie an Sprecherin der Organisation „Jeudi Noir“, (französisch „Schwarzer Donnerstag)“, einer Kampagne gegen die Pariser Wohnungsnot.
Das ZAK bat Ophélie Latil und Valentine Umansky, folgende Fragen zu beantworten:
1. Hat sich unser Sicherheitsbedürfnis vergrößert oder hat sich lediglich unsere Wahrnehmung von Unsicherheit geändert?
Wir würden sagen, dass seit der Präsidentenwahl 2008 in Frankreich aufgrund des Medieninteresses an diesem Thema unsere Wahrnehmung von Unsicherheit zugenommen hat. Generell wird die Fernsehübertragung der Bilder eingesetzt, um die Wahrnehmung der Bevölkerung in Bezug auf solche Themen zu verändern (z. B. „Krawalle“ in London, in den Pariser Vororten, etc.). Die Wahrnehmung von Unsicherheit ist aufgrund der echten Unsicherheit gewachsen (in Bezug auf den Arbeitsplatz, die Wohnung, usw.), die die Menschen spüren und die hat wiederum dazu geführt, dass sich die Politik mehr auf die Sicherheit konzentriert (z. B. Einwanderungsfragen in Frankreich).
2. Inwiefern nehmen Überlagerungen von unterschiedlichen Risiken zu? Ist ein Dominoeffekt erkennbar?
Der Dominoeffekt ist logisch, da es zwischen jedem Gesellschaftsaspekt und zwischen Risiken Zusammenhänge gibt. Unserer Meinung nach ist das ziemlich offensichtlich.
3. Sollte angesichts der aktuellen Krisensituation mehr Entscheidungsautorität an europäische Einrichtungen/Organe verlagert werden?
Im Allgemeinen denken wir, dass mehr Autorität an die europäischen Einrichtungen verschoben werden sollte, wenn man bedenkt, dass sie bei der derzeitigen Krise nur wenig Macht besitzen. Wenn manche Länder schon damit beginnen, die Existenz der Europäischen Union in Frage zu stellen, ist es die einzige Antwort auf die starke Nationalpolitik vieler europäischer Länder. Viele französische Aktivisten waren überrascht, wie wenig Macht Europa bei der Handhabung der Krisen in Griechenland und Spanien hatte, so dass das Vertrauen an der Einrichtung als solche immer geringer wurde. Daher wächst das Gefühl der Unsicherheit (oder das Gefühl, dass Europa bei der Handhabung wirtschaftlicher und politischer Angelegenheiten Schwierigkeiten hat).