Amerikanistik, Archäologie, Finnougristik, Germanistik, Islamwissenschaft, Japanologie, Kunstgeschichte, Medienwissenschaften, Philosophie, Politikwissenschaft, Psychologie, Romanistik, Sinologie, Slawistik oder Kulturwissenschaft – wozu sind diese Fächer gut?

Meist wird den Geisteswissenschaften vorgeworfen, in stiller Einzelarbeit hoch wissenschaftlich zu arbeiten und ökonomisch von nicht quantifizierbarem Nutzen zu sein. Unter-schätzt werden sowohl die „Geistesblitze“, die von ihnen ausgehen und in Gesellschaft, Politik, Arbeitswelt sowie Naturwissenschaften hineinwirken, als auch ihre theoretische und analytische Struktur. Kreative Ideen und neue Gedanken fördern unerwartete Lösungswege – auch auf unerwarteten Gebieten.
In diesem Sommersemester und im Jahr der Geisteswissenschaften widmet sich das Colloquium Fundamentale der Frage nach den Aufgaben und dem Sinn der Geisteswissen-schaften. Neben ihren genuin fachgebundenen Forschungsaufgaben stellen sie orientierendes Wissen bereit, bieten einen Zugang zur Welt, den Menschen und ihrer Gesellschaft und schulen Kritikfähigkeit. In einer sich vernetzenden Gesellschaft lastet immer mehr Verantwortung auf Geisteswissenschaftlern, die alte Fragen neu beantworten, aber auch neue Fragen stellen sollen. Gerade in einer Zeit der Globalisierung wächst der Bedarf an fundiertem Wissen über die eigene Tradition zur Herstellung eines kulturellen Gedächtnis-ses einerseits und über außereuropäische Kulturen für eine sinnvolle Dialogführung andererseits.
Innerhalb der Vortragsreihe fragen wir uns, welche Rolle Geisteswissenschaftler in Unter-nehmen spielen oder welchen Einfluss eine Wissenschaft, die sich traditioneller Weise mit bildgebenden Verfahren auseinandersetzt – wie die Kunstgeschichte – auf den Umgang mit der Visualisierung in Naturwissenschaft und Technik hat. Wie wirkt Philosophie in die politischen Diskussionen über soziale Gerechtigkeit, Bioethik oder Neurowissenschaften? Was lernen wir von Sinologen oder Islamwissenschaftlern über unseren politischen und wirtschaftlichen Umgang mit fremden Kulturen?
Das ZAK ist Partner des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ ausgerufenen Wissenschaftsjahrs unter dem Motto „Geisteswissenshaften. ABC der Menschheit“. Mit einer differenzierten Diskussion wollen wir einer möglichen Polarisierung in der Debatte über Geisteswissenschaften entgegen-wirken.
Konzept und wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Gründungsdirektorin des ZAK
Veranstaltungsübersicht
03. Mai 2007:
Die Unbildungs-Katastrophe: Was heißt und zu welchem Ende braucht man ein Studium Generale?
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Prof. Dr. Hermann Glaser
Honorarprofessor für Kulturvermittlung, Technische Universität Berlin und
Kulturdezernent der Stadt Nürnberg a. D.
In der Auseinandersetzung mit den komplexen Gegenwartsfragen einer globalisierten Welt wird die Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg immer wichtiger. Als interfakultatives Angebot gewährt das Studium Generale Einblick in fachfremde Bereiche und fördert die Allgemeinbildung. Gerade an technischen Hochschulen kommt diesem Lehrangebot eine besondere Bedeutung zu. Geisteswissenschaften stellen orientierendes Wissen bereit und ermöglichen Entwürfe für das gesellschaftliche Zusammenleben der Zukunft. Professor Dr. Hermann Glaser fragt in seinem Vortrag nach Sinn und Zweck eines umfassenden Bildungsangebots.
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24. Mai 2007:
Zur Soziologie der Geisteswissenschaften in einer globalisierten Welt
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Prof. Dr. Rudolf Stichweh
Lehrstuhl für Soziologie, Rektor der Universität Luzern
In seinem Vortrag diskutiert Professor Dr. Stichweh den Begriff der Geisteswissenschaften vor dem Hintergrund der wissenschaftstheoretischen Alternativen der Sozial-, Kultur- und Humanwissenschaften. Während der Begriff der Geisteswissenschaften traditionell als übergreifende Selbstbeschreibung dieser Disziplinen galt, lässt sich heute am besten in Sozial- und Kulturwissenschaften unterscheiden. Sie stellen problemorientiertes Wissen bereit, das in einer globalisierten Welt unverzichtbar für die Selbstbeobachtung sowie Selbstgestaltung von Gesellschaft und Kultur ist.
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31. Mai 2007:
Die zwei Kulturen und die Probleme der globalisierten Welt
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Prof. em. Dr. Gunter Scholtz
Lehrstuhl für Geschichte und Theorie der Geisteswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und
Initiator des Unternehmens "cubus – culture in business"
1959 behauptete C. P. Snow in seinem Vortrag „The two cultures and the scientific revolution“ man müsse das naturwissenschaftlich-technische Wissen gegenüber der herrschenden literarischen Bildung stärken, um den Problemen der modernen Welt gerecht zu werden. In seinem Vortrag fragt Professor Dr. Scholtz nun, ob Snows These noch Plausibilität beanspruchen kann und welche Rolle den Geisteswissenschaften hinsichtlich der Herausforderungen einer globalisierten Welt zukommt. Als Initiator des Unternehmens „cubus – culture in business“ tritt er für den Transfer von kulturwissenschaftlichem Know-how in die Wirtschaft ein.
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14. Juni 2007:
China-Wissen und China-Wissenschaft.
Zum (Miss)Verhältnis von öffentlichem Chinadiskurs und sinologischen Perspektiven |
Prof. Dr. Nicola Spakowski
Lehrstuhl für Außereuropäische Geschichte, School of Humanities and Social Sciences,
Jacobs University Bremen
Als potentielle Großmacht genießt China derzeit ein großes Interesse in der Öffentlichkeit. Die Nachfrage nach wissenschaftlichem China-Wissen ist jedoch gering, so dass der öffentliche Diskurs überwiegend von Journalisten und Sachbuchautoren bedient wird. Woher stammt dieses Missverhältnis? In ihrem Vortrag fragt Prof.Dr. Nicola Spakowski nach den spezifischen Perspektiven auf China seitens Medien und Wissenschaft sowie den Ursachen für die gegenseitigen Berührungsängste. Sie betont dabei die Notwendigkeit der interkulturellen Kompetenzen und Analyseinstrumentarien, die Sinologen in die öffentlichen Diskussionen einbringen.
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21. Juni 2007:
In der Car-Clinic. Wo die Kunstgeschichte überall gebraucht wird
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Prof. Dr. Wolfgang Ullrich
Institut für Kunstwissenschaft und Medientheorie, Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und
Unternehmensberater
Vergleichendes Sehen, die Analyse von Stilcharakteristika, ikonografisches Wissen oder die Sensibilität für ästhetische Codes – dies sind nur einige Fähigkeiten von Kunstwissenschaftlern. In der Öffentlichkeit und selbst unter Studenten der Geisteswissenschaften wird oft nicht transparent, in welchen Bereichen diese Kompetenzen zum Einsatz kommen können. Am Beispiel der Designevaluation in der Automobilindustrie wird Prof. Dr. Ullrich aufzeigen, wo Kunstgeschichte überall gebraucht wird. Ausgehend von seiner Praxiserfahrung als Unternehmensberater entwirft er Thesen zur Verbesserung der theoretischen Ausbildung an Hochschulen.
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28. Juni 2007:
Von kleinen Fächern, kurzen Sichten, großen Herausforderungen
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Prof. Dr. Angelos Chaniotis
Senior Research Fellow für Alte Geschichte,
All Souls College, University of Oxford
In der Hochschulpolitik besteht Konsens, dass die geisteswissenschaftlichen ‚kleinen Fächer‘ unverzichtbar sind. Sie bilden nicht allein den eigenen Nachwuchs aus, sondern erweitern auch die Horizonte der benachbarten Disziplinen und bauen Brücken zwischen den Hochschulen und der außeruniversitären Öffentlichkeit. Allerdings erschweren ‚kurze Sichten‘ innerhalb der Universitäten und der Föderalismusgeist eine nationale Koordination der ‚kleinen Fächer‘. In seinem Vortrag legt der ehemalige Prorektor der Universität Heidelberg und derzeit in Oxford lehrende Professor Dr. Chaniotis, dar, dass die ‚Orchideenfächer‘ für eine frische Blüte nicht an erster Stelle mehr Geld, sondern neue, für sie adäquate Strukturen benötigen.
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5. Juli 2007:
Streitgespräch: Islamwissenschaft zwischen Theorie und Praxis
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Dr. Herbert L. Müller
Regierungsdirektor, Leiter der Abteilung für Islamismus/ Islamistischer Terrorismus, Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
Prof. Dr. Maurus Reinkowski
Lehrstuhl für Islamwissenschaft und Geschichte der islamischen Völker, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 steht die Islamwissenschaft im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Als einen großen Kulturraum umfassende Disziplin setzt sie umfangreiche Sprachkenntnisse voraus und trägt entscheidend zum Verständnis einer der Weltreligionen bei. Das kulturelle Fachwissen von Islamexperten ist derzeit besonders in Sicherheitsbehörden gefragt. Aus den Perspektiven von Theorie und Praxis diskutieren Prof. Dr. Maurus Reinkowski und Dr. Herbert L. Müller nach kurzen Vorträgen, inwiefern die Islamwissenschaft den an sie gerichteten Erwartungen von Politik und Medien gerecht werden kann.
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12. Juli 2007:
Abschlusspodium: Geisteswissen schafft Zukunft
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Prof. Dr. Eve-Marie Engels,
Lehrstuhl für Ethik in den Biowissenschaften, Fakultät für Biologie, Eberhard Karls Universität Tübingen
Dr. Katharina Weisrock,
Literaturwissenschaftlerin und ehemalige Projektleiterin der Veranstaltungsreihe „Geisteswissenschaft im Dialog“
Prof. Dr. Axel Horstmann,
VolkswagenStiftung, Leiter der Abteilung II, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, Niedersächsisches Vorab
Prof. Dr. Helmut Engler,
Geschäftsführer der Stiftung Humanismus heute und Minister für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg a.D.
Geisteswissenschaften formen das kulturelle Gedächtnis, dienen der Orientierung in einer globalisierten Welt und bauen Brücken zwischen den Kulturen. Zum Abschluss der Reihe diskutieren Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Chancen und Aufgaben, die sich für die Geisteswissenschaften insbesondere an Technischen Hochschulen ergeben. Im Blickfeld stehen dabei die Bedeutung von Selbstreflexion und Interdisziplinarität sowie geeignete Strukturen der Organisation. Die Referenten fragen nach der Zukunft der Geisteswissenschaften und erörtern inwiefern das „Jahr der Geisteswissenschaften“ einen Beitrag zu ihrer Sichtbarkeit leistet
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Illustration: Cécile Noël / www.framboise-noel.eu