Eliten - wozu?

Colloquium Fundamentale im WS 07/08

fUnsere Gesellschaft braucht Eliten“. Diese Auffassung hatte der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Beginn seiner Amtszeit verkündet und im Januar 2004 durch den Ruf nach Elite-Universitäten bekräftigt. Das Colloquium Fundamentale befasst sich in diesem Semester mit der Elite-Thematik aus interdisziplinärer Sicht.Der politische Wille zu „Leuchttürmen der Wissenschaft“ hat eine allgemeine Debatte über Eliten hervorgerufen. Bund und Länder wollen fünf Jahre lang exzellente Forschung fördern und haben dafür im Juni 2005 die „Exzellenzinitiative“ ins Leben gerufen. Mit diesem Leistungswettbewerb wurde ein Kurswechsel eingeleitet, der dem traditionell auf Gleichheit ausgerichtetendeutschen Universitätssystem entgegensteht und sich eher am amerikanischen System orientiert.
Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus und welche sozialen Folgen sind zu bedenken? Welche gesellschaftlichen Funktionen werden deutsche Elite-Universitäten übernehmen und wie können sie Einfluss auf Machtverhältnisse haben? Doch auch generelle Fragen lassen sich ableiten, etwa wie Eliten überhaupt zu definieren sind und wie sie entstehen, ob eine Gesellschaft Eliten braucht und wie sie sich mit dem demokratischen System vereinbaren lassen. Wer besetzt in Wissenschaft und Bildung, Politik, Wirtschaft und Justiz Spitzenpositionen? Welche Rekrutierungswege und Karrierepfade lassen sich nachzeichnen? Welche Chancen haben speziell Frauen? Meist wird zwischen Leistungseliten und Machteliten differenziert, wobei vielfältige Wechselwirkungen zwischen Leistungen und Machtmöglichkeiten bestehen.
Zudem benötigt der Begriff „Elite“ noch weitere erläuternde Zusätze wie Funktionselite, Werteelite, Bildungselite und politische Elite oder auch Öffentlichkeitselite in Sport, Kultur und Medien. Historisch gesehen entwickelte sich der Terminus „Elite“ im 18. Jahrhundert durch das aufstrebende französische Bürgertum als demokratische Kraft gegen Adel und Klerus, die auf individueller Leistung statt auf Abstammung beruhen sollte. Im 19. Jahrhundert bildete sich das Verständnis von Elite als Gegenbegriff zur Masse. Die Theorie von der unumgänglichen Herrschaft der kleinen Auswahl über die große Mehrheit wurde leider auch zur faschistischen und sozialistischen Legitimation in vielen europäischen Ländern. Während in den USA eine funktionalistische Definition von Elite gebräuchlich ist, denkt man hier meist an leistungsbedingte Eliten – wobei nach wie vor ungerechtfertigte Privilegien, Arroganz und Abgehobenheit auch mit dem Elitebegriff assoziiert werden. In Deutschland heben sich Eliten in der Regel durch ihr Bildungsniveau deutlich von der Gesamtbevölkerung ab und kommen überproportional häufig aus Familien mit hohem sozialen Status. Gerade vor diesem Hintergrund wird die Forderung der Politik nach Elite-Universitäten von der Bevölkerung sehr kritisch verfolgt. Inwieweit wird das Prinzip der sozialen Mobilität in der Begabtenförderung berücksichtigt? Ist eine soziale Öffnung der Elitenbildung möglich und läuft diese eher aktiv oder passiv ab? Umgekehrt stellt sich die Frage, ob eine Gesellschaft ohne Eliten in der globalisierten Welt überhaupt wettbewerbsfähig ist.
Eröffnet wurde das Colloquium Fundamentale am 8. November von der Generalsekretä in der Hochschulrektorenkonferenz Dr. Christiane Gaehtgens. Zu den Referenten zählen unter anderem Prof. Dr. Michael Hartmann vom Institut für Soziologie der TU Darmstadt, der zu „Eliten und Macht in Europa“ sprechen wird, sowie Prof. Peter Voß, ehemaliger Intendant des SWR.

Konzept und wissenschaftliche Leitung:

Prof. Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Gründungsdirektorin des ZAK

 

Veranstaltungsübersicht

 

08.11.2007
Exzellenzförderung: Deutsche Universitäten auf dem Weg zur Weltspitze?

Dr. Christiane Gaehtgens 
Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz,
Mitglied im Beirat des Elitenetzwerks Bayern

cIn der zweiten Runde der Exzellenzinitiative wurde der Kreis der Elite-Universitäten kürzlich um sechs weitere Hochschulen erweitert. Zur Eröffnung der Vortragsreihe betrachtet Dr. Christiane Gaehtgens die Auswirkungen des 2005 ins Leben gerufenen Leistungswettbewerbs und den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf. Sie geht der Frage nach, wie einer drohenden Verengung des Qualitätsbegriffs entgegengewirkt und die freigesetzte Dynamik zum Nutzen des gesamten Wissenschaftssystems weiterentwickelt werden kann, ohne den Exzellenzanspruch preiszugeben. Verantwortliche Akteure und die Chancen von Modellen wie Research Campus oder Bundesuniversität werden dabei beleuchtet.

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22.11.2007
Eliten und Macht in Europa

Prof. Dr. Michael Hartmann
Institut für Soziologie, Technische Universität Darmstadt

fDas Zusammenwachsen Europas ist vor allem ein Projekt der Eliten. Allerdings sind deren soziale Herkunft, Bildungsmuster und Karrierewege je nach Land unterschiedlich.  Auch die Einkommens- und Vermögensverteilung variiert innerhalb Europas. In einem internationalen Vergleich untersucht Professor Dr. Hartmann den Zusammenhang zwischen der Struktur der Oberschicht und der sozialen Ungleichheit. Der „Elitenforscher“ zeigt, wer Europas Eliten sind und wer die europäische Politik und Wirtschaft maßgeblich beeinflusst. Abschließend erörtert er die Auswirkungen der Exzellenzinitiative auf die Hochschulen als traditionelles Becken der Elitenrekrutierung.

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06.12.2007
Eliten in der Demokratie: Auswahl durch Leistung?
Prof. Dr. Ursula Hoffmann-Lange
Lehrstuhl für Politikwissenschaft und Politische Systeme, Universität Bamberg

cfIn Demokratien gilt der Aufstieg in Elitepositionen als sozial offen und wird durch Leistung vollbracht. Die Ungleichheit von Macht und Einfluss wird dabei mit dem Verdienst begründet, den Eliten für die Gesellschaft erbringen. Durch die Differenzierung der Universitätssysteme in eine kleine Zahl von Eliteuniversitäten spielen diese eine herausragende Rolle bei der Rekrutierung von Eliten. Sie bieten bessere Ausbildungsbedingungen, weisen gleichzeitig jedoch ein hohes Maß an sozialer Selektivität auf. In ihrem Vortrag fragt Professor Dr. Hoffmann-Lange nach der Legitimation der Finanzierung von Eliteuniversitäten durch die Allgemeinheit und beleuchtet die Auswahlprozesse für Führungskräfte in demokratischen Gesellschaften. 

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10.01.2008
Eliten aus der Sicht der Wirtschaft

Rosely Schweizer-Oetker
Beiratsvorsitzende der Dr. August Oetker KG und der Henkell & Söhnlein Sektkellereien KG

cDurch die Wahl von Firmenstandorten sowie Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern treffen Wirtschaftseliten Entscheidungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung und persönlicher Tragweite. Sie wirken maßgeblich auf öffentliche Debatten ein und können politisch Einfluss nehmen. Neben Leistungsbereitschaft sind Führungspositionen mit einem hohen Maß an Verantwortung verbunden, das oft über das Unternehmen hinaus reicht. Firmenwerte müssen sowohl nach innen vorgelebt, wie nach außen repräsentiert werden. Als Mitglied eines Familienbetriebs betrachtet Rosely Schweizer-Oetker die Elitenbildung in der Wirtschaft aus Sicht einer Mutter und Unternehmerin.

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17.01.2008
Streitgespräch: Die akademische Elite
f

Prof. Dr. Richard Münch
Lehrstuhl für Soziologie II, Universität Bamberg

cc

 

Prof. Dr. Gert G. Wagner
Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Mitglied des Wissenschaftsrats

 

Eine international konkurrenzfähige Gesellschaft bedarf der Förderung von Exzellenz in Wissenschaft und Forschung. Darauf zielt die 2005 von Bund und Ländern initiierte „Exzellenzinitiative“ an den deutschen Hochschulen. Der Wettbewerb um den Titel der „Elite-Universität“ hat für viel Bewegung in der Hochschullandschaft gesorgt. Doch wer entscheidet, wer sich zur Elite zählen darf? Prof. Münch bemängelt in seiner Studie über das System der Forschungsförderung viele Reformen als kontraproduktiv und einer theoretischen Vielfalt abträglich. Während er in dem Streitgespräch die Einrichtung von „Exzellenzuniversitäten“ kritisiert, hält sie Prof. Wagner für notwendig, um den Anschluss an die internationale Hochschulelite zu erreichen.

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24.01.2008
Eliten und Medien

VoßProf. Peter Voß
Ehemaliger Intendant des SWR, Honorarprofessor für Medien, Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe

 

 

Ob in Wirtschaft, Politik, Sport oder Wissenschaft – die Elitendiskussion wird in den Medien in allen Rubriken geführt. Zum einen können sie durch ihre Themenwahl einzelne Persönlichkeiten ins Rampenlicht rücken wie auch etablierte Eliten diskreditieren.  Zum anderen wissen vor allem Führungspersönlichkeiten sich der Medien zu bedienen, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Mit dem rasanten technologischen Fortschritt wird Medienkompetenz zur Schlüsselqualifikation für Spitzenpositionen in einer globalisierten Welt. In seinem Vortrag untersucht Prof. Peter Voß den Einfluss der Medien auf die Elitenbildung und beleuchtet die mögliche Entstehung einer „elektronischen Zwei-Klassen-Gesellschaft“ infolge der Neuen Medien.

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Illustration: Cécile Noël / www.framboise-noel.eu