Karlsruher Gespräche 2016
Was hält Mitteleuropa zusammen? Neue Herausforderungen aus Polen
Prof. Dr. Ireneusz Pawl Karolewski
Referent
Statements
1. Welche Werte halten für Sie die Europäische Union zusammen? Wie kann eine gemeinschaftliche europäische Identität zukünftig besser vermittelt werden?
Die Europäische Union leidet unter einem Wertepluralismus, der insofern problematisch ist, als die EU ihre normativen Konturen nicht klar genug definiert. Die Europäische Union müsste sich deutlicher als Partikulargemeinschaft definieren, die ihre Identität über „wertvolle Besonderheiten” (precious differences) anstelle kosmopolitischer Impulse vermittelt.
2. Sind andere Modelle – wie etwa ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder eine Europäische Föderation der Regionen – vorstellbar?
Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten ist längst Wirklichkeit, von der das Schengen-System und die Eurozone die bekanntesten Beispiele sind. Die EU hat sich vor allem seit dem Beginn der 1990er-Jahre asymmetrisch entwickelt und diese Entwicklung wird ihre Zukunft auch weiter bestimmen. Eine Föderation von Regionen ist völlig unrealistisch, denn Regionen haben in der EU nur beschränkte oder gar keine politische Akteursfähigkeit.
3. Halten Sie die derzeitigen nationalistischen Bestrebungen für ein sich aus den Krisen ergebendes kurzfristiges Phänomen oder für den Beginn einer langfristigen Entwicklung?
Die derzeitigen nationalistischen Bestrebungen ergeben sich vor allem aus der Legitimationskrise der EU sowie aus der Krise der spezifischen Varianten des Kapitalismus in Südeuropa und Mittelosteuropa. Vor diesem Hintergrund wird der Nationalismus die Zukunft Europas mittelfristig bestimmen.